Freitag, 16. Januar 2015

Deutschlands Football-Nacht des Jahres

Im Gillette Stadium in Foxborough wird das AFC Championship Game ausgetragen. Klarer Heimvorteil: Patriots. Copyright: instagram.com/patriots
Wenn sich Sonntagnacht im AFC Championship Game OT Sebastian Vollmer mit den New England Patriots und OLB Björn Werner von den Indianapolis Colts gegenüberstehen, dann besteht bereits vor Spielbeginn Grund zur Freude. Zum vierten Mal in der Geschichte wird ein Deutscher im NFL Endspiel vertreten sein. Nach Kicker Uwe von Schamann 1983 und 1985 mit den Miami Dolphins, Vollmer 2012 mit den Patriots gegen die New York Giants, klappt es vielleicht beim vierten Anlauf mit einem deutschen Triumph im größten Einzelsportevent der Welt.

Doch ein Schritt nach dem anderen. Erst einmal wird an diesem Wochenende südlich von Boston im Gillette Stadium das Halbfinale ausgespielt. Der Berliner „Bär“ Werner nimmt zusätzlich etwas Luft aus der aufgebauschten Medienblase: „Das Spiel lautet Colts gegen Patriots, nicht Werner gegen Vollmer.“ Auf dem Papier sind die Patriots selbstverständlich haushoher Favorit. Mit der Außenseiterrolle haben sich die jungen wilden aus Indy bereits abgefunden.

„Die Meinung der so genannten Experten interessiert uns nicht“, meinte Björn Werner gegenüber Heiko Oldörp von der dpa. „Wir glauben fest daran, dass wir den Super Bowl gewinnen können. Wenn Du nicht daran glaubst, brauchst du gar nicht erst anzutreten.“

In der Divisional Round setzten sich die Colts als einziges Auswärtsteam durch und beendeten mit dem 24:13-Sieg zeitgleich die John-Fox-Ära in Denver. Bereits im Vorfeld der Playoffs war klar, dass der Weg der Fohlen nach Arizona ein steiniger wird. In der Wildcard-Runde noch mit einem Heimspiel gesegnet, durfte man gegen die Cincinnati Bengals Selbstvertrauen tanken. In Denver nahmen Andrew Luck & Co. die erste große Hürde mit den Broncos, nur um nun in New England vor einem scheinbar unüberwindbaren Hindernis zu stehen.

In der regulären Saison führten die Patriots die Colts vor deren heimischen Fans regelrecht vor mit 22 Punkten Unterschied. Trainerfuchs Bill Belichick setzte alle Karten auf das Laufspiel und einen bis dahin eher unbekannten RB namens Jonas Gray. Der Ballträger erlebte in Woche 11 seine Sternstunde mit vier Rushing Touchdowns in Indianapolis - Mehr Lauf-Touchdowns als alle weiteren Running Backs zusammen an diesem ungewöhnlichen NFL-Spieltag!

Vorteil New England: Vielseitigkeit im Angriff

Mitten in der Saison stieß RB LeGarrette Blount aus Pittsburgh zurück zum Team. Mit Shane Vereen, Jonas Gray, Brandon Boden und James White haben die Pats ein Ballträger-Quintett beisammen, dass sich perfekt ergänzt und schwer auszurechnen ist. Vor allem im eisigen und matschigen Januar in New England ist ein verlässliches Laufspiel enorm von Bedeutung. Das jederzeit Tom Brady - und in Ausnahmefällen auch ein Julian Edelmann - durch die Luft seine Magie versprüht macht Belichicks Mannen noch unberechenbarer. In den vergangenen Wochen übernahm in Indianapolis RB Dan „Boom“ Herron immer mehr Spielanteile in Pep Hamiltons Angriffsystem. Als passlastiges Indoor-Team müssen die Colts erst noch beweisen, dass sie kein reiner Schönwetterverein sind.

Ausgeglichen: Die Defenses

Greg Manusky’s Colts Defense überzeugt mit Breite. Der Pass Rush verteilte sich nach dem Saisonausfall von OLB Robert Mathis auf mehrere Schultern. Rookie Jonathan Newsome konnte die meisten Sacks einfahren (6.5). Die Linebacker werden leicht übersehen. Patriots OLB Jamie Collins glänzte im letztjährigen Playoff-Aufeinandertreffen mit einem Sack und einer Interception. Bei den Colts war die gesamte Saison über auf ILB D’Qwell Jackson Verlass, der nach 8 Jahren in Cleveland nun erstmals mit den Colts Playoff-Luft schnuppert. Auf der Cornerback-Position präsentieren sich am Sonntag zwei Pro Bowler mit Vontae Davis von den Colts und Darelle Revis von den Patriots. Beide sind Shutout-Corner in bester Deion-Sanders-Manier.

Schlüsselfaktor: Die Quarterbacks

Andrew Luck ist spätestens nach dem Broncos-Sieg den Fußstapfen seines Vorgängers Peyton Manning entwachsen und schreibt an seiner eigenen Legende. Mit 25 Jahren strebt er den Thron unter den Top-Passgebern an - im selben Alter funkelte bereits ein Super-Bowl-Ring an Bradys Hand. Der Ehemann von Giselle Bündchen ist das Non-Plus-Ultra unter den aktiven Spielmachern. Drei Super Bowl Siege, zweimaliger Super Bowl MVP, jetzt will er zum sechsten Mal gemeinsam mit Bill Belichick in den Super Bowl einziehen. Eine unglaubliche Konstanz zeichnet beide aus. Bereits zum vierten Jahr in Folge stehen die Pats im AFC-Finale. Ihr letzter Trip ins Endspiel liegt allerdings auch schon wieder drei Jahre zurück, als man den NY Giants unterlag. Beide Quarterbacks lieben ihre Tight Ends. Brady und Gronkowski sind „Money-in-the-bank“ - ähnlich wie Stockton und Malone in der NBA. Andrew Luck verfügt gleich über zwei zuverlässige TE-Anspielstationen mit Dwayne Allen und seinem früheren College-Mitbewohner Coby Fleener.

Erwischt Brady keinen guten Tag, könnten die Colts eine Chance haben. Besonders auf Indy’s Pass Rush wird es ankommen: Druck auf Brady ausüben, Gap Control, sichere Tackles, Turnover Battle gewinnen lauten die Schlüssel zum Sieg für den Außenseiter. Gegen die Broncos warf Luck noch zwei riskante Interceptions. Gegen die kaltschnäuzigen Altmeister aus New England werden die Colts mit solchen Fehlern nicht ungestraft davon kommen.

Eine spannende Nachtschicht wird es für die deutschen Football-Fans und beiden Sat.1 ran Kommentatoren Jan Stecker und Frank Buschmann sicherlich werden. Der Münchner Bällchensender überträgt im Free TV das AFC-Finale Sonntagnacht ab 0:40 Uhr live.

Tipp: Ab 20:30 Uhr läuft am Sonntag (18.1.2015) bereits das NFC-Finale Seattle Seahawks vs Green Bay Packers im Lifestream auf ww.ran.de

Dieser Artikel erschien am 15. Januar 2015 auf www.football-aktuell.de

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