Samstag, 23. Januar 2016

Carson Palmers dritter Frühling in der Wüste

Mit 36 Jahren blüht Quarterback Carson Palmer noch einmal richtig auf. Nur noch ein Sieg fehlt den Arizona Cardinals zum Super Bowl Einzug. Am Sonntag treffen sie im NFC Championship Game auf die Carolina Panthers (0:20 Uhr live in SAT.1 und im Livestream auf ran.de).

Arizona ist bekannt als Rentner-Paradies. Bei 330 Sonnentagen im Jahr entscheiden sich viele Ältere für einen entspannten Lebensabend im Grand Canyon State. Betrachtet man das Roster der Arizona Cardinals könnte man auch denken, hier handelt es sich teilweise um die „Resterampe“ der NFL. Einige der Spieler, die General Manager Steve Keim nach Phoenix lotste, wie Running Back Chris Johnson (29) und Linebacker Dwight Freeney (35), hatten anderswo längst ausgedient. Im April 2013 tradete Keim für den damals 33-jährigen Quarterback Carson Palmer.

„Ich glaube, dass das Alter nur eine Zahl ist“, sagt Cardinals Fan Catherine Sharpe. „Was zählt, sind die Fähigkeiten der Spieler und was sie für das Team leisten. (Coach) Bruce Arians ist nicht dumm. Er hat Palmer im Team, weil er um seine Stärken weiß.“

Vergleiche mit Kurt Warner

Am vergangenen Samstag durfte Palmer in seiner 13. NFL Saison endlich den ersten Playoff-Erfolg einfahren. Arizonas Spielmacher startete zwar zurückhaltend, aber sicherte letztendlich gegen die Green Bay Packers den Sieg mit zwei Overtime-Pässen auf Larry Fitzgerald.

Das ausverkaufte University of Phoenix Stadium glich dabei einem roten Meer an Nummer-11-Jerseys. Larry ist der unumstrittene Publikumsliebling in Arizona. Doch Palmers Spin-Move und die beiden Kombinationen auf Fitzgerald ließen Erinnerungen an die glorreiche Zeit mit Kurt Warner aufkommen. Unter dem brillanten Spiel des damals 37-jährigen Warner gelang den Cardinals der überraschende Einzug in Super Bowl 43.

Ich frage nach zu Palmers Beliebtheit im „Just Sports“, dem größten Fan-Shop im Westgate-Komplex direkt neben dem Cardinals Stadion. Aktuell rangiert Palmers Trikot auf Platz 4 der Verkaufsliste hinter Fitzgerald und den beiden Defensive Backs Tyrann Mathieu und Patrick Peterson, verrät mir Verkäufer Michael Fontes. „Wenn die Cardinals diese Woche gewinnen, könnte Palmer so populär werden wie Warner“, meint Fontes. „Ich denke, wenn er im letzten Jahr gespielt hätte, wären wir schon in den Super Bowl gekommen. Ohne ihn war’s das.“

Unvollendeter College-Held

Verletzungen warfen den Nummer-1-Draft-Pick von 2003 immer wieder zurück. Zum Playoff-Auftakt der Saison 2005 erlitt der damalige Bengals-Quarterback gegen die Steelers einen doppelten Kreuzbandriss - ein potentieller Karrierekiller. Doch sieben Monate später stand er wieder auf dem Feld. 2008 riss er sich ein Band im Ellenbogen und verpasste 12 Spiele. Im Jahr darauf kam er zurück und führte die Bengals in die Playoffs, nur um erneut in der Wildcard-Runde zu scheitern. Völlig gefrustet setzte Palmer 2011 aus und wollte schon seine Karriere beenden. Ein Trade mit den Raiders brachte ihn zurück nach Kalifornien, wo er als College Quarterback in Reihen von USC die Heisman-Trophy gewann. Doch das Experiment in Oakland galt nach zwei Jahren als gescheitert und der alternde Palmer wurde in die Wüste Arizonas abgeschoben. 

Hier nahm seine auslaufende Karriere eine unerwartende Wendung. Mit den richtigen Leuten um sich herum, erlebte der erfahrene Quarterback einen zweiten Frühling und führte die Cardinals zurück auf die Erfolgsspur. Bis im November 2014, nur zwei Tage nach seiner Vertragsverlängerung, erneut das gleiche Kreuzband wie neun Jahre zuvor riss.

Carson ließ den Kopf nie hängen. Gemeinsam mit seinem Sohn Fletch (Bein-Operation) absolvierte er die Reha in Phoenix: „Es war eine echt coole Erfahrung, das gemeinsam durchzustehen.“ Ein aktueller Dove-Werbespot zeigt ihn in der Hauptrolle als Familienvater auf dem eigenen Anwesen in Paradise Valley. Die Kampagne handelt von wahrer Stärke und zeigt laut Hersteller, dass sich Erfolg durch einen starken Charakter auszeichnet, nicht durch Yards.

Wie Phoenix aus der Asche

2015 gelang Carson Palmer ein fulminantes Comeback mit Karrierebestwerten. 35 Touchdown-Pässe und 4.671 Gesamt Pass Yards sind gleichzeitig neue Franchise Rekorde. Zumindest in diesen Kategorien konnte er die Legende Kurt Warner bereits überflügeln. Nach der knappen Super-Bowl-Niederlage gegen die Steelers sind die Erwartungen der Fans in Arizona mittlerweile gestiegen.

„Palmer muss eine Meisterschaft gewinnen“, findet Connor Bowen, den ich in Westgate antreffe. Zwei Siege fehlen noch. „Die Panthers sind gut. Beide Teams befinden sich auf Augenhöhe. Palmer ist gut. Und wir haben Larry Fitzgerald. Ich sehe das Ganze positiv und bin ziemlich zuversichtlich.“

Die Cardinals sind die älteste Franchise im professionellen Football, gegründet 1898 in Chicago. Die vergangenen drei Saisons unter Head Coach Bruce Arians und Quarterback Palmer waren die erfolgreichste Spanne (34-14 Bilanz) in ihrer 96-jährigen NFL Zugehörigkeit. Seit 1947 haben sie keine Meisterschaft mehr gewonnen. Nie waren die Vorraussetzungen besser als jetzt. Mit einem ausgefuchsten Palmer, der das Risiko nicht scheut, steht der richtige Mann hinter dem Center.

NFC Championship Game: Panthers vs Cardinals, ab 0:20 Uhr Sonntagnacht live in SAT.1 oder via Livestream auf www.ran.de.

Dieser Artikel erschien am 23. Januar 2016 auf www.ran.de

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